Relativ -
Warum die Bünde der Gitarre nicht alle den gleichen
Abstand von einander haben
(Vielleicht ist dieser Text mehr für Erwachsene als
für Kinder, denn diese einfache Sache ist schwer zu erklären...)
Schon in der ersten Gitarrenstunde fragen viele Schülerinnen
und Schüler, warum die Bundstäbchen auf dem Griffbrett
nicht alle gleich weit von einander entfernt sind, sondern
vom Kopf auf das Schallloch zu immer kleiner werden
So viel kann gesagt werden, denn das findet man schnell durch
Ausprobieren heraus: Je kürzer die Saite wird, desto
höher wird der Ton und desto kleiner sind dann die folgenden
Abstände auf dem Griffbrett.
Um zu verstehen, warum das so ist, müssen wir uns erst
einmal klar machen, wie die Töne einer Saite in ihrer
Tonhöhe überhaupt verändert werden: Wenn wir
die Saite an einem beliebigen Bund abgreifen, verkürzen
wir sie dadurch. Die Saite kann nur noch auf der Strecke vom
Steg bis zu dem Punkt, von dem an sie nun durch den Druck
des Fingers festgemacht ist, schwingen und klingen. Die Verkürzung
einer Saite bei gleichbleibender Spannung bewirkt, dass ihr
Ton höher wird. Die Bünde einer Gitarre sind so
angebracht, dass sie den Ton jeder Saite von Bund zu Bund
jeweils um einen Halbtonschritt erhöhen. Höre dir
an, wie es klingt, wenn du eine Saite zuerst ohne zu greifen
anschlägst, dann im 1. Bund abgreifst, anschließend
im 2., dann im 3., 4. usw. bis zum 12. Bund. Vergleiche vor
allem den Ton des 12. Bundes mit dem der nicht gegriffenen
Saite, wir kommen darauf zurück.
Schon in der Antike hat der griechische Denker Pythagoras
über die Verhältnisse der Saitenlängen und
der entsprechenden Töne einer Saite sehr weit gehende
Berechnungen und Überlegungen angestellt. Er und seine
Nachfolger haben die "Proportionen" in der Musik
entdeckt und sie anhand ihrer Forschungen am "Monochord"
beschrieben. Das Monochord, "Einsaiter", ist nichts
weiter als ein hohler Kasten, auf den eine einzelne Saite
gespannt ist, welche mit einem Keil an beliebigen Stellen
abgeteilt werden kann.
Die alten Griechen also fanden schon vor fast dreitausend
Jahren heraus, dass eine Halbierung der Saitenlänge den
Ton um eine Oktave erhöht (Verhältnis von Gesamtlänge
zur abgegriffenen Länge 1:2), die um ein Drittel verkürzte
Saite ergibt die Quinte des Tons der nicht gegriffenen Saite
(Teilungsverhältnis 2:3), die um ein Viertel verkürzte
Saite klingt eine Quarte höher (3:4), die um ein Neuntel
verkürzte Saite klingt einen Ganzton höher als die
nicht verkürzte Saite (8:9)... Die Erhöhung um einen
Halbtonschritt erfordert eine Verkürzung der gegebenen
Saitenlänge um ein Sechzehntel (15:16). (Die Gitarrenbauer
müssen allerdings für die Berechnung der richtigen
Abstände noch weitere Punkte wie die leichte Spannungsänderung
beim Greifen usw. beachten, sodass in Wirklichkeit das "Sechzehntel"
noch etwas schrumpft auf ca. ein Neunzehntel.)
Zurück zu der Frage, warum die Bundstäbchen nicht
alle den gleichen Abstand von einander haben: Wenn wir den
Klang einer Saite um einen Halbtonschritt erhöhen wollen,
müssen wir sie um ein Sechzehntel verkürzen. Um
das zu erleichtern, hat der Gitarrenbauer die Bundstäbchen
so angeordnet, dass ein Sprung von Bund zu Bund gerade einen
Halbtonschritt ausmacht. So wird also der Abstand vom Sattel
bis zum ersten Bundstäbchen ein Sechzehntel der Strecke
vom Sattel bis zum Steg sein. Wenn wir nun den Ton von einer
schon verkürzten, weil gegriffenen, Saite um einen Halbton
erhöhen möchten, muss die Verkürzung ebenfalls
ein Sechzehntel betragen aber nun nur noch von der Strecke,
die vom gegriffenen Bund bis zum Steg übrig ist. Dieses
Sechzehntel muss also kleiner sein als das Sechzehntel der
ungegriffenen Saite. So kann man verstehen, warum die Abstände
der Bundstäbchen einer Gitarre vom Kopf auf das Schalloch
zu kleiner werden müssen.
Beispiele: Wenn wir eine Saite gegen das zwölfte Bundstäbchen
drücken, wird die Saitenlänge halbiert (miss nach).
Die Tonhöhe steigt um eine Oktave, denn die Schwingungszahl
wird verdoppelt. Eine weitere Erhöhung um einen Halbtonschritt
erfordert eine weitere Verkürzung um ein Sechzehntel
der verbliebenen Saitenlänge. Dieses Sechzehntel ist
dann natürlich nur noch halb so groß wie das der
nicht gegriffenen Saite.
Wenn wir eine Saite gegen das siebte Bundstäbchen drücken,
wird die Saitenlänge gedrittelt (miss nach). Die Tonhöhe
steigt um eine Quinte, denn die Schwingungszahl wurde um ein
Drittel erhöht. Eine Erhöhung um einen Halbtonschritt
- vom siebten zum achten Bund - erfordert eine weitere Verkürzung
um ein Sechzehntel der verbliebenen zwei Drittel. Dieses Sechzehntel
misst dann natürlich nur noch zwei Drittel von dem der
nicht gegriffenen Saite.
Experimentiere mit Flageolett-Tönen. Das Brockhaus Riemann
Musiklexikon schreibt hierzu: "Flageolett-Töne (frz.
sons harmoniques; engl. harmonics) werden auf Saiteninstrumenten
durch leichtes Aufsetzen des Fingers auf die Teilungspunkte
1/2, 1/3, 1/4 usw. erzeugt. Durch den hier entstehenden Schwingungsknoten
schwingt die Saite in 2, 3, 4 ... Teilen, von denen jeder
den betreffenden Oberton der ganzen Saite erklingen lässt,
vergleichbar dem Überblasen der Blasinstrumente..."
Lass es dir von deinem Gitarrenlehrer zeigen, es ist lustig
und birgt Stoff zum Nachdenken über musikalische Grundgegebenheiten.
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Zusatz - Die Abstände der Töne von einander ("Intervalle")
haben Namen, die aus dem Lateinischen kommen:
Prim (Primus, der Erste) - der gleiche Ton noch einmal,
Sekund (Secundus, der Zweite) - ein Ton weiter,
Terz (Tertius, der Dritte) - zwei Töne weiter,
Quart (Quartus, der Vierte) - drei Töne weiter,
Quint (Quintus, der Fünfte) - vier Töne weiter,
Sext (Sextus, der Sechste) - fünf Töne weiter,
Septim (Septimus, der Siebte) - sechs Töne weiter,
Oktav (Octavus, der Achte) - sieben Töne weiter.
Diese acht Intervalle sind die wichtigsten. Es gibt auch
Nonen, Dezimen, Undezimen, Duodezimen usw.
Weiterführende Informationen und Arbeitsblätter:
- Große
und reine Intervalle
- Kleine
Intervalle
- Übermäßige
(augmentierte) Intervalle
- Verminderte
Intervalle
Bernhard Schumacher, Urfeld, 27.10.2010
Vergleiche
"Warum ist das Cis zu hoch?" zu baubedingten Ungenauigkeiten
bei der Trompete und wie man damit umgeht
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